Aufkündigung bewährter Übereinkünfte

Von Herr Maier

Jahrzehntelang glaubten die Menschen an die soziale Marktwirtschaft. Warum? Weil jeder das Soziale spürte und man den Eindruck hatte, die Unternehmen, die Märkte handeln nach einem mit dem Bürger in Einklang stehenden Wertekatalog. Der Staat brauchte sich nicht in den Markt einzubringen und die Unternehmen trugen das sog. „unternehmerische Risiko“. Das war die stillschweigende Übereinkunft. Aus diesem Grund sprach man auch gerne von einer „freien“ Marktwirtschaft.

Spätestens seit der Wirtschaftskrise ab 2008 hat man aber gelernt, dass weder der Markt noch die Politik frei sind. Der Staat kommt den runtergewirtschafteten Unternehmen zur Hilfe – zumindest den Großen!  Aber schon davor fing man an das Prinzip der freien Märkte ad acta zu legen. Ein gutes Beispiel ist der Rettungsversuch des Baukonzerns Phillip Holzmann, dem Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 mit Hilfe eines Darlehens und einer Bürgschaft über insgesamt 250 Millionen Mark zur Hilfe kam. Die geretteten Mitarbeiter jubelten voller Euphorie „Gerhard, Gerhard!“ – zweieinhalb Jahre später folgte dann die endgültige Insolvenz und die Mitarbeiter standen dann doch ernüchtert auf der Straße.

Nach Jahrzehnten des Nichteingreifens fing die Politik nun an den Hilferufen der Firmen und Angestellten zu folgen und beerdigte damit gleichzeitig ihre Unhabhängigkeit, die Gerechtigkeit und die freie Marktwirtschaft. Wer freie Märkte haben möchte, der muß auch deren Konsequenzen zulassen. Was ist das für ein Staat, der nur die Hilferufe der Großen hört? Warum wurde nicht der kleine Schreinerbetrieb mit 5 Angestellten gehört, oder der letzte Schuster in unserer Stadt? In den kleinen und mittelständischen Betrieben gab es eine gigantische Pleitewelle, die mehr Arbeitslose auf die Straße brachte, als bei Philipp Holzmann oder bei den Banken ab 2008 vordergründig gerettet wurden. Wie gerecht finden diese Angestellten, die nun auf der Straße stehen, die inkonsequente Rettung anderer Firmen durch den Staat? Eine Rettung, die ohne deren Steuergelder nicht möglich gewesen wäre. Nicht sehr. Das Ergebnis ist ein Vertrauensverlust der Politik.

Weiterhin werden die Angestellten ja nur augenscheinlich gerettet, da im Nachgang durch Einsparungen und „sozialen“ Stellenabbau dennoch meist am Personal gespart wird. Gerettet werden aber eigentlich nur die Anteilseigner der Unternehmen, denn nur diese tragen das finanzielle Risiko. Risiko? Die Banken wissen jetzt, wenn ich nur groß genug bin, gibt es kein Risikio für mich, denn der Staat wird mich retten. Diese über jahrzehnte stillschweigende Übereinkunft zwischen Politik und Marktwirtschaft wurde beiderseitig aufgekündigt. Gut für die Wirtschaft, schlecht für den Staat und damit schlecht für das Volk. Milliarden werden für Banken bereitgestellt, Milliarden, die dem Volk gehören. Das Volk trägt somit fortan das Risiko für private Unternehmen, aber die Anteilseigner behalten ihre Anteile!? Das ist keine gute Basis für eine befriedigende Koexistenz, denn die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer – die Kluft wird größer. Das ist, was jeder zu spüren glaubt. Der Unmut wird größer.

Die Milliarden hätte der Staat auch dazu nutzen können eine eigene, seriöse, bürgerfreundliche Bank zu errichten. Eine Bank, die nicht den Gewinn mehr schätzt als den Kunden.